Norwegen Euch-Tag 3

Auch die zweite Nacht ging ohne größere Schwierigkeiten vorüber. Schwierigkeiten auf hoher See könnte ich auch wirklich nicht gebrauchen. Manchmal ist es ein komisches Gefühl, wenn einem sein Gehirn mitteilt, das Bett würde sich bewegen, man aber genau weiß, dass genau dieses Bett fest verankert an seinem Platz steht. Welch ungeahnte Möglichkeiten eine Innenkabine doch zur Magenentleerung bietet. Aber die Überfahrt bleibt ruhig und auch solche Landratten wie wir sind in der Lage die Nacht ruhig schlafend im Bett zu verbringen und nicht stehend an der Reeling.

Um Punkt 6 Uhr weckte uns dann relativ unsanft der Kapitän via Lautsprecher: „Väjnaalu hü ätt akaalätaöt mäjöä“ oder so ähnlich schallt es durch die Kajüte. Ich kann ja schließlich kein Finnisch. Fest steht: Finnen stehen auf Umlaute. Ä, ö, ü wird wo immer es irgendwie geht benutzt. Gerne auch direkt hintereinander. Finnisch klingt lustig, diese Sprache zu lernen macht bestimmt viel Spaß. Vor allem dem Lehrer, der sich über seine Schüler schlapp lachen kann. Mit Englischkenntnissen ist aber alles kein Problem, das sprechen die Finnen fast ebenso sicher wie ihre Umlaute.

An Deck erlebten wir dann die Einfahrt in den Hafen von Helsinki. Morgens halb 7 in Finnland. Die Sonne schien, wenn sich nicht gerade eine Wolke davor schob. Der Kapitän vollzog sein letztes Manöver, auf das er sich seit 29 Stunden vorbereitet hatte. Er drehte das Schiff einmal um seine Achse, um wieder mit dem Heck voran anzudocken. Millimeter genau parkte er ein. Gelernt ist halt gelernt.

Kurz darauf wurden die Autodecks geöffnet und wir durften wieder zu unserem Elch. Auch er schien die Überfahrt gut überstanden zu haben, ich konnte auf jeden Fall keine Undichtigkeiten auf dem Boden erkennen. Ihm schien es also nicht schlecht geworden zu sein. Was mir manchmal beim Reisebericht schreiben für ein Schmarrn einfällt......

Zuerst rührte sich auf dem Autodeck wenig. Die meisten saßen in ihren Autos und warteten. Kaum hatte sich aber das erste Fahrzeug bewegt ging alles ruckzuck. Wie bereits erwähnt, die Fährbesatzung hatte den Park- und Endparkvorgang gut im Griff. Schwuppdiwupp hatten wir finnischen Boden unter dem Reifen und ab ging es auf unserem weiteren Weg Richtung Nordkapp.

Aber vorher plagte uns noch der Hunger. Was schon wieder? Bitte bedenkt unser letztes, wenn auch reichliches Essen, lag immerhin satte (welch komischer und zweideutiger Ausdruck in diesem Zusammenhang) 18 Stunden zurück. Ein willkommener Anlass in Richtung Keskuska von Helsinki zu fahren. Meine Frau hatte schnell begriffen, dass Keskuska auf deutsch Zentrum heißt. Auch wenn uns das Wort Sentrum direkt unter dem Begriff Keskuska ein klein wenig irritierte. Erst später fiel uns auf, hier in Finnland ist Zweisprachigkeit angesagt. Dem finnischen Wort folgt meistens die schwedische Übersetzung nach. Immerhin gibt es in Finnland eine 6%-tige schwedische Minderheit. Bei diesen Übersetzungen fällt auf, das Schwedisch steht dem Deutschen erheblich näher als Finnisch.

Wir fuhren also Richtung Zentrum und Domkirche. Parkten unseren Volvo in relativer Nähe und machten uns zu Fuß auf den Weg. Zuvor hatte unser Navi uns mitten in eine Fußgängerzone geleitet. Zum Glück hatten wir die Gefahr rechtzeitig erkannt.

Die Domkirche Helsinkis sieht von außen sehr stattlich aus und erinnerte uns so ein wenig an Sacre Ceur in Paris. Allerdings ist sie innen seltsam unspektakulär und nackt. Der Dom verspricht von außen definitiv mehr als er innen halten kann. Gleich in der Nähe der Kirche fanden wir ein kleines italienisches Restaurant, indem wir unser Frühstück einnahmen. Leider hatte meine Frau das viele Salz auf dem Ciabatta nicht so richtig vertragen und hat sich das gute Frühstück noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Die Mägen der restlichen Familienmitglieder blieben dagegen gefüllt.

Nach gut 1.5 Stunden Aufenthalt verließen wir wieder das Keskuska von Helsinki. Wahrscheinlich war die Zeit zu kurz um sich ein Urteil zu bilden bzw. bilden zu dürfen, aber besonders schön schien uns Helsinki nicht zu sein. Einen Charakter hinter den Bauten der Stadt konnte ich nicht erkennen. Alles irgendwie 70ziger Jahre Einheitsbrei. So long Helsinki.

Ab jetzt ging es für die nächsten 1300 km nur noch in eine Richtung. Richtung Norden. Dorthin wo die Sonne im Sommer nur wenig Schlaf bekommt. Nächstes Zwischenziel auf diesem Wege war Lahti. Lahti dürfte bei allen Skifans ein Begriff sein. Vor allem bei nordischen Skifans sind die Sprungschanzen bekannt. Mehr kannten wir bisher von Lahti auch nicht, aber den Besuch der Schanzen wollten wir uns auf keinen Fall entgehen lassen. Im Sommer befindet sich im Auslauf der Großschanze ein Schwimmbecken. Mit einem Sessellift aus dem 18. Jahrhundert (gefühlt) ging es in Richtung Schanzenturm und mit dem Aufzug dann nach oben. Von dort oben hatte man einen herrlichen Blick über die Stadt. Der Blick die Schanze hinunter war dagegen komischerweise unspektakulär. Warum dies so war, kann ich gar nicht richtig beschreiben. Es schien zumindest nicht unmöglich zu sein mit Alpinski von dort oben nach unten zu fahren. Ich war bereits in Garmisch und vor allem in Oberstdorf auf der Flugschanze. Dort hätten mich keine 10 Pferde mit Skiern hinuntergebracht. Aber ich kann ja die Klappe leicht aufreißen, ich muss den Beweis ja nicht erbringen.

Nach einem schnellen Kaffee am Fuße der Schanze ging es wieder auf die Straße und weiter in Richtung Norden. Unser heutiges Ziel hieß Oulu und liegt direkt an der Ostsee.

Dort hatten wir ein Hotelzimmer im Vorfeld gebucht. Zuerst bin ich beim Betreten des Hotels skeptisch, beim Betreten des Zimmers erschüttert. In was für eine Absteige waren wir denn da hineingeraten. Dies war kein Hotel, höchstens mit viel Wohlwollen eine Jugendherberge. Ich wollte meiner Family die Entscheidung überlassen, ob wir hier bleiben wollten oder nicht. Komischerweise war der Rest der Familie viel weniger geschockt als ich. Bei genauerer Betrachtung war zwar das Ambiente des Hotels das eines Kreiskrankenhauses, aber es war sauber. Ehrlich gesagt sogar extrem sauber. Die Zimmer würden vielleicht das ein oder andere Bild an der Wand gut vertragen und auch etwas Dekoration könnte Gemütlichkeit fördernd wirken. Aber zum Schlafen für eine Nacht kurz gesagt OK.

Wir blieben also und verbrachten die erste Nordnacht des Urlaubes. Es wollte und wollte nicht dunkel werden. Unser Körper bemerkte zwar eine der Uhrzeit durchaus angemessene Müdigkeit, alleine die Helligkeit sprach vehement gegen die Akzeptanz der Uhrzeit. Am Ende siegte der Körper über unseren Verstand. Wir waren müde und schliefen ein.

@lljogi 2018 - Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum