Norwegen Euch-Tag 6

Die Fjordbrandung donnerte gegen unsere Terrasse und unter unserer Hütte. Das Wetter war keineswegs bilderbuchmäßig, aber durchaus den Wetterklischees Norwegens angemessen. Meine Frau und ich setzten uns, eingelullt in unsere Schlafsäcke, auf die Terrasse und ließen diesen Morgen auf uns wirken. Ein wunderschöner Morgen und man hätte fast vergessen können, dass wir noch K.... Da öffnet sich die Hüttentüre und unsere Kleinste kam heraus spaziert. Ganz unserem Vorbild nacheifernd setzte auch sie sich eingehüllt mit ihrem Schlafsack zu uns auf die Bank. Die Szene blieb romantisch und die Schlafsäcke sorgten für die notwendige Wärme. Es hatte ca. 10 Grad Celsius.

Jetzt wäre ein Kaffee der Gipfel der Krönung gewesen, fast wie in einem Werbefilm. Aber denkste, Kaffee hatten wir noch keinen. Auch Tee war noch nicht in unseren Besitz übergegangen. Wir waren Camper, Zeltcamper, back to basic hieß die Devise und einen Teekocher oder gar Kaffeemaschine war nicht Bestandteil der Abmachung gewesen. Den treuherzigen Blicken meiner Frau konnte ich jedoch nicht widerstehen und sattelte mein Pferd (vielmehr unseren Elch, also Volvo), schnappte mir 2 meiner 3 Kids und begab mich auf die Suche nach den notwendigen Artikeln. Ein Lebensmittelladen musste her. In Honnigsvag wurden wir fündig, aber offen war dieser morgens um 8.20 Uhr natürlich noch nicht. Zum Glück gab es aber auch hier Tankstellen und „Coffee to go“. Musste ich wenigstens nicht mit leeren Händen zuhause antreten.

Was stand heute auf dem Programm? Eigentlich wollten wir ja, wie gestern bereits angekündigt zum aller, aller nördlichsten Punkt wandern. Dies geht nur wandernd, keine Straße führt dorthin. Dieser Punkt heißt Knivskjellodden und wird durch einen 9 km (one-way) langen Wanderweg erschlossen. Erst als wir wieder zuhause waren, musste ich durch Recherchen im Internet herausfinden, dass auch dieser Punkt nicht der nördlichste Europas ist. Dieser Punkt heißt Kinnarodden und befindet sich auf der Nordkinnhalbinsel etwas östlich vom Nordkap. Naja, sei es wie es sei, es regnete in Strömen- nicht dauernd, aber immer wieder anhaltend. Wandern, bei diesem Wetter, ich kann mir schöneres vorstellen.

Also verbrachten wir den Vormittag damit einkaufen zu gehen und unsere Vorräte aufzufrischen. Lebensmittel sind in Norwegen wahnsinnig teuer. Wir in Deutschland wissen gar nicht, wie billig wir eigentlich unser tägliches Brot zu uns nehmen können. OK schlechtes Beispiel, weil Brot ist in Norwegen auch nicht teuer. Dafür aber so ziemlich alles andere. Wir haben bald aufgehört die Norwegischen Kronen umzurechnen, machte einfach keinen Sinn und verdirbt einem nur die Laune. Wir haben doch Urlaub und da sollten so Kleinigkeiten wie Geld keine Rolle spielen. Hab ich das gerade geschrieben?

Gegen Mittag hellte das Wetter etwas auf und wir waren nicht mehr zu halten. Knivskjellodden wir kommen.

Kapitän Richard Chancellor entdeckte im Jahr 1553 auf seiner Suche nach einem nördlichen Seeweg nach China das Nordkap. Allerdings unterlief ihm bei der Berechnung des nördlichsten Punktes ein kleiner Fehler. Das tatsächliche Nordkap, das mit der erheblich kleineren Zahl an Touristen, liegt direkt daneben, ca. 1.5 km westlich und ist wie bereits erwähnt nur durch einen Fußmarsch erreichbar. Nun sind 9 km jetzt nicht die Welt auch wenn man diese 9 km wieder zurück muss. Nichts was uns inkl. Kids ängstigen würde. Aber der Weg ist, wie soll ich mich ausdrücken, in einem sehr natürlichem Zustand. Damit will ich sagen, es gibt zwar einen markierten Weg, aber eben keinen planierten. Es geht permanent über Stock und Stein und man muss bei jedem Schritt aufpassen, wohin man tritt. Das machte das ganze Unterfangen dann doch noch zu einem recht anstrengenden Unternehmen. Wenn dann noch wie bei uns, kurz vor dem Ende der Wanderung wie aus dem Nichts der Nebel heranzieht, wird es sogar zu einem richtigen Abenteuer.

Das Nordkap einmal aus einer anderen Perspektive

6 Stunden waren wir insgesamt unterwegs und meine Kinder vertrieben sich die Zeit neben dem Laufen mit der Erfindung von Sätzen wie z.B.

Ein Mann liebte seinen Elefanten so sehr, dass er sein Elfenbeinküste
oder
Als es an der Tür klopfte, sagte der Vater zu seinem Sohn Kai: „Geh doch mal zur TürKai“.
oder
Vorsicht, da vorne licht en Stein.

Ich denke man kapiert den Sinn dahinter. Ansonsten kann ich euch auch nicht helfen.

Vor allem die letzten Kilometer zum Kap vor war kaum noch ein Weg zu erkennen. Man musste sich durch die Felsen und Wiesen hindurch kämpfen und manchmal konnte man auf dem nassen Untergrund nur knapp einen Sturz vermeiden.....oder auch nicht.

Ca. 500 m vor dem Ziel wurde es uns dann fast zu bunt, so dass wir schon umdrehen wollten. Aber der Ehrgeiz siegte am Ende vor der vermeintlichen Gefahr. Wir erreichten das Ziel und waren ab diesem Augenblick auch richtige Nordreisende.

Wettermäßig hatten wir auch erhebliches Glück. Von großen Regenschauern blieben wir verschont. Erst als wir wieder im Auto saßen und zurück in unsere gemütliche Hütte fuhren, fing es wieder an wie aus Kübeln zu gießen. So war der einzige Weg den wir heute im Regen absolvieren mussten, der Weg vom Parkplatz zur Hütte.

Apropo Hütte. Unsere Hütte war purer Luxus. Wir besaßen fließendes Wasser und ein richtiges Bad mit Toilette und Dusche. Sogar warmes Wasser konnten wir per Gastherme erzeugen. Ich verspreche euch, nicht jede Hütte, die man in Norwegen mieten kann verfügt über derlei Komfort.

Der Abend ging mit Lachsnudeln und Karten spielen zu Ende. Heute Nacht wurde die Bettruhe wieder etwas früher eingeläutet. Wir brauchten unseren Schlaf. Die Helligkeit in der Nacht machte uns bereits nichts mehr aus.

@lljogi 2018 - Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum