30.10.2012 - a night with Sandy

Wir haben die Nacht überstanden. Hätte unser Fenster spaltfrei geschlossen, wäre von Sandy nichts bis ans unser Ohr vorgedrungen. So aber hörte man zwischendurch immer mal wieder ein Pfeifen mitten im Traum und dies kam nicht von der Bahnstrecke direkt vor dem Motel. Der Wind muss also ganz schön geblasen haben. Als wir am Morgen aus dem Fenster schauten, bekamen wir allerdings keinen Schreck. Na Gott sei Dank. Die etwas abenteuerlich anmutenden Stromleitungen vor dem Motel hatten den Wind überstanden.

Frage: Warum haben die Amerikaner ihre Stromleitungen nicht im Boden verlegt, sondern wie bei uns früher von Dach zu Dach? Die Anfälligkeit bei Sturm ist natürlich so enorm.

Wobei wenn ich es recht überlege bei neuen Ansiedlungen sieht man diese Stromleitungen auch nicht mehr. Vielleicht hat man nur die alten aus Kostengründen nicht in den Boden verlegt. Während man bei Neusiedlungen dies dann selbstverständlich gemacht hat. Wie auch immer, die Heimatstadt von Bill Pullman hat Sandy überstanden ohne augenscheinlich sichtbare Beschädigungen. Gut so.

Allerdings sind die Nachrichten im Fernsehen besorgniserregend. Den Küstengebieten in New Jersey und New York hat es übel mitgespielt und auch in Stadtteilen von New York wie Manhattan oder Queens hat Sandy ganze Arbeit geleistet. Wir können nur froh sein hier mitten in Pennsylvania davon so gut wie verschont geblieben zu sein, machen uns allerdings unsere Gedanken über den weiteren Verlauf unserer Tour, wollen wir doch in zwei Tagen direkt nach New York City fahren.

Ein kurzes Wort zum Wetter. Der Wind weht mäßig und ab und zu spitzelt sogar die Sonne zwischen den Wolken hindurch. Sandy zeigt uns ihre Schokoladenseite, als wir uns auf den Weg in Richtung Niagara Falls machen.

Von Hornell nach Niagara Falls sind es ca. 2 und ein bißchen Stunden. Auf dem Weg lag der Stony Brook State Park.

Der State Park war ein ganz netter Zwischenstop, der Höhepunkt des Tages aber sollte Niagara Falls sein.

Niagara Falls! Was weiß Wikipedia darüber? Der den Eriesee mit dem Ontariosee verbindende Niagara River, der zugleich die östliche Begrenzung der Niagara-Halbinsel bildet, stürzt 58 Meter in die Tiefe. Dabei werden die Fälle durch die oben gelegene Insel Goat Island (Ziegeninsel) in zwei Teile gespalten. Der US-amerikanische Teil hat eine Kantenlänge von 363 m, der kanadische eine von 792 m. Das Wasser des US-amerikanischen Teils fällt nach 21 m auf eine Sturzhalde, die bei einem Felssturz 1954 entstand. Der kanadische Teil (Horseshoe, deutsch Hufeisen) hat eine freie Fallhöhe von 52 m.

Der Wasserdurchfluss beträgt, je nach Jahreszeit, zwischen 2.832 und 5.720 m³/s, durchschnittlich 4.200 m³/s (ungefähr das Doppelte des Rhein-Abflusses), wobei zu sagen ist, dass je nach Tageszeit nur etwa ein Viertel bis die Hälfte der gesamten Wassermassen die Fälle hinunterstürzen. So werden die Wasserfälle nachts, außerhalb der Saison sowie bei geringer Frequentierung durch Touristen auf bis zu 10 % der ursprünglichen Wassermenge gedrosselt und die verbleibenden 90 % über ein Stauwehr für die Stromgewinnung umgeleitet. Zu Saisonzeiten werden die Wasserfälle sprichwörtlich per Knopfdruck allmorgendlich angeschaltet. Schiffe umfahren die Fälle durch den 12 km westlich liegenden, 43,4 km langen Wellandkanal bei St. Catharines, der größeren Nachbarstadt von Niagara Falls.

Puhh! Soviel Info auf einen Schlag erschlägt einen ja fast. Für diesen Satz hätte mein Deutschlehrer mich geköpft.

Man kann die Fälle bzw. die aufspritzende Gischt bereits von der ca. 5km entfernten Brücke über den Lake Erie gut erkennen.

Wir haben das Naturschauspiel Niagara Falls erreicht und es ist noch sehr früh am Tage. Zu früh um ins Motel einzuchecken. Macht nichts, wir fahren erst einmal auf die Ziegeninsel und nähern uns den Hufeisenfällen direkt an. Imposant sind sie, dass muss man ihnen lassen. Irgendwie. Der zugegebenermaßen relative alte Reiseführer beschreibt das Ganze in etwa so:

„Es sind nicht die Höchsten und es sind nicht die schönsten Wasserfälle der USA, trotzdem beeindruckt der Wasserfall durch seine Kantenlänge von ca. 1 km und seine pure Kraft“.

Das tut er, er beeindruckt ohne uns wirklich zu faszinieren. Wir schauen uns das Wasser an, wir beobachten den Fall in die Tiefe und stellen uns vor, wie man einen solchen Sturz wirklich überleben kann. Man kann, auch wenn dies in diesem Moment kaum zu glauben und die Wahrscheinlichkeit auch nicht gerade sehr hoch ist.

Hier auf der amerikanischen Seite der Fälle ist Nebensaison. Dies spürt man und dies sieht man. Es ist nichts los und gegenüber in Kanada liegen die Schiffe der „Maid of the Mist“ – Tour bereits im Winterlager. Auch der Aussichtsturm ist ohne Eintrittsticket betretbar, der Weg nach unten gesperrt. Hatte ich gestern noch über das Visitor Center in Gettysburg geschwärmt so erleben wir hier das genaue Gegenteil davon. Das Visitor Center der Niagara Falls ist vorhanden, besuchen muss man es nicht unbedingt.

Da jetzt nach dieser ersten Begegnung mit den Falls die Zeit doch recht schnell vergangen war, bezogen wir doch unser Zimmer im Quality Inn & Suites in Niagara Falls. Hier hatte Sandy gestern mehr Kraft und in den unteren Etagen des Hotels lagen dutzendweise Handtücher vor den Fenstern. Tja, Wasser ist dünn und schnell. Unser Zimmer dagegen war nicht nur bereits fertig, sondern darüber hinaus auch weitestgehend trocken. Der ein oder andere Wassertropfen hatte sich auch hier durch das Fenster gekämpft, aber meine Güte, wir sind ja nicht aus Zucker.

Der zweite Teil des Fällebesuches konnte beginnen. Wir liefen nach Kanada. Wir hätten auch mit dem Auto rüber fahren können, aber wir wollten zu Fuß über die Rainbow Bridge gehen. Der Übertritt der Grenze ist übrigens weder von der einen noch von der anderen Seite eine große Angelegenheit. Auf dem Rückweg gab es übrigens folgenden Satz eines Grenzers zu bewundern:

„or maybe not“.

Das war die Antwort auf die vorher gestellte Frage an eine japanisch, chinesisch, asiatische Reisegruppe, wo es denn hingehen sollte und der Reiseleiter daraufhin meinte:

„Tomorrow we will go to New York and fly home“.

Wir befürchteten mittlerweile nach dem Studium verschiedener Fernsehsender auch dass dies wohl eher nicht der Fall sein würde. Es schien allerdings so als wüssten die japanisch-chinesischen Asiaten nichts von Sandy.

In Kanada führte unser Weg zuerst und direkt ohne über Los zu gehen in das Hard Rock Cafe. Noch nie zuvor hatte ich ein Hard Rock Cafe dermaßen leer zu Gesicht bekommen, war aber auch einmal eine schöne Erfahrung die wir, um es vorne weg zu nehmen, nochmals in New York wiederholen durften. Die Portionen waren abartig riesig und ich wusste nach dem Essen gar nicht mehr wo ich meinen Bauch platzieren sollte. In der Hose war definitiv kein Platz mehr. Wie viele Kalorien hat ein Chilly Cheese Burger mit Fries gleich nochmal. Ob es wohl mehr als 1000 sind :)

So gut genährt taten wir uns den Besuch des IMAX-Kinos an. Ich aber wollte noch unbedingt in das 360 Grad Kino, dessen Namen mir entfallen war und dass angeblich 4D sein sollte. Auch hier selbstverständlich das Thema Niagara Fälle und seine Entstehung. Im Table Rock House direkt an den Horseshoe Falls fanden wir es dann. Die wahrscheinlich Nr.1 – Abzocke in Town: (Niagara Fury)

Der Eintritt kostet für Erwachsene schlappe 15 kanadische $. Dafür bekamen wir einen Regenponcho kostenlos, das wäre die gute Nachricht.

Die schlechte Nachricht, der Film und die Effekte sind grottenschlecht. Das Geld einfach verschwendet für nichts. Schaut euch die Webseite an und das Video. Mir hat es Lust auf die Entstehung gemacht am Ende blieb nur Frust. Hätte ich mich nicht bereits im Hard Rock Cafe so vollgefressen, ich wäre jetzt bereit für ein Frustessen gewesen. So liefen wir halt wieder nach reiflicher Besichtigung des Wasserfalles zurück in die USA.

Am Abend nach Einbruch der Dunkelheit machten sich meine beiden Jungs und ich dann nochmals auf den Weg auf die Ziegeninsel um die Fälle bei Nacht zu sehen. Jetzt war das Erlebnis schon eher – WOW!

Ein langer und ereignisreicher Tag ging dann im Motel zu Ende. Mittlerweile hatte ABC für Sandy einen noch besseren Namen gefunden:

„A perfect storm“

Schön dass Sandy so perfekt ist.

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