Eine Nacht im Sequoia
Wie kann man Touristen in Nationalparks am Besten und am Leichtesten erschrecken?
Die Ranger im Sequoia Nationalpark haben sie sich da was ganz besonderes ausgedacht.
Es war zum Ende unserer Hochzeitsreise 1994. Wir wollten wieder einmal in einem richtigen Bett schlafen und tauschten kurzerhand unseren schnuckeligen Pickup-Camper mit einem Lodgeaufenthalt. Wir wurden nebenbei gesagt auch etwas zu diesem Schritt gezwungen, da die Campingplätze im Nationalpark alle ausgebucht waren und wir zur Übernachtung wieder den Park hätten verlassen müssen. Dies wollten wir aber nicht, weil die Anfahrt den Sequoia hinauf nicht zu den kürzesten gehört. Also beschlossen wir unser Glück in der Lodge zu versuchen. Wir hatten Glück und bekamen unser Zimmer in der 2. Etage der Lodge zugeteilt. Im übrigen ein sehr schönes und geräumiges Zimmer mit Bad, aber ohne Fernseher. Was auf einer Hochzeitsreise jetzt nicht unbedingt ein Ausschlusskriterium darstellt.
Zusammen mit dem Lageplan der Lodge und dem Zimmerschlüssel bekam man auch eine kostenlose und vor allem eingehende Belehrung über das Verhalten in einem Nationalpark im Allgemeinen und dem Verhalten gegenüber Bären im Besonderen. Man solle unbedingt alles an Nahrungsmittel das im Auto lagert mit auf das Zimmer nehmen, alle Kühlschränke entleeren, ja selbst die Kleidung die mit Essen in Verbindung gebracht wurde sollte man aus dem Auto entfernen. Gleichzeitig bekam man Bilder von den Folgen der Nichtbeachtung dieser Tipps gezeigt.
Die Bilder zeigten PKWs deren Windschutzscheibe von Bärentatzen einfach aufgerissen wurden, zeigten Wohnmobile deren Türen einfach herausgerissen wurden. Das alles nur, weil die Besitzer die Warnungen nicht ernst genommen hatten.
Das war ja eine schöne Bescherung. Waren wir doch gerade noch am Vormittag im Supermarkt gewesen und hatten unsere Vorräte aufgefrischt. Unsere Vorratskammern waren also bis zum Äußersten gefüllt. Das alles musste jetzt raus, auch das tiefgefrorene. Die beste Rangerwarnung jedoch war dieser Satz: „Vielleicht wird das ganze Aufräumen und verstauen der Nahrung aber auch gar nichts bringen, da alleine der Geruch den Bären verleiden könnte einmal im Auto nach zu schauen.“ Den Geruch wird man aber ohne komplette Desinfektion des Innenraumes nicht los.
Na toll. Am Ende haben wir uns die Arbeit gemacht, alles ausgeräumt und andersweitig verstaut und der Bär honoriert das nicht einmal und greift unseren Ford trotzdem an.
Wir parkten unseren Pickup-Camper gleich unterhalb unseres Zimmers. Vorsichtshalber, damit wir bei einem etwaigen Angriff des Bären noch retten konnten, was dann noch zu retten wäre. Darüber diskutiert was in einem solchen Fall unsere Rettungsmaßnahmen hätte sein sollen, haben wir nicht. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl meine Frau ging davon aus, mir würde dann schon etwas einfallen. Ich dagegen hoffte es würde nicht zu dieser Situation kommen. Ich bin ja nicht lebensmüde. Pfeif auf den Pickup-Camper, der ist ja eh nur gemietet.
Die Warnungen der Ranger wirkten aber den ganzen Rest des Abends und der Nacht nach. Selbst als wir am Abend in der Nähe der Lodge noch spazieren gingen, blickten wir uns immer wieder über die Schultern um, ob nicht doch ein Grizzly plötzlich hinter uns auftauchen würde.
Auch die Nacht wurde dementsprechend etwas unruhig. Mitten in der Nacht drangen „komische“ Geräusche vom Parkplatz herauf in unser Zimmer. Was war denn das? War da etwa der Bär unterwegs?
Wir spähten hinunter zu unserem Ford. Aber es war dunkel. Kunststück es war ja Nacht. Aber auch kein Mond erhellte die Szenerie. War der Bär gerade dabei unseren Camper aufzubrechen? Immer wieder stand ich auf und versuchte etwas unten am Parkplatz zu erkennen.
Da wieder dieses komische Geräusch. Da war doch was, ganz sicher. Jetzt hatten wir es auch beide gehört. Da bewegte sich doch etwas. Eine Bewegung war zu erkennen. Verdammt, der Bär! Hatten die Ranger doch Recht. Was machen wir jetzt? Runter gehen und verscheuchen? Ich bin doch nicht verrückt.
Also blieben wir auf dem Zimmer und harrten der Dinge die da kommen sollten. Und sie kamen. Denn unten am Parkplatz sah man plötzlich einen Lichtkegel. Ich sagte noch zu meiner Frau: „Du ich glaube der Bär hat eine Taschenlampe“. Da war doch tatsächlich einer in seinem Auto geblieben und hatte es sich da gemütlich gemacht. Ob er jetzt sein Auto bewachen wollte oder einfach nur kein Zimmer mehr bekommen hatte, überließ er unserer Fantasie. War uns aber auch egal. Schließlich wussten wir jetzt, unser kleiner Pickup-Camper war nicht alleine da unten und das beruhigte uns ungemein.
Ich glaube ja die Ranger haben einen Riesenspaß dabei die Touristen zu erschrecken. Natürlich können Bären gefährlich sein und natürlich haben die Bären es auf das Essen der Touristen abgesehen. Aber wie wahrscheinlich ist es den Bären auf dem Parkplatz zu erwischen. Wie oft passiert das im Jahr oder im Jahrzehnt?
Es ist wie bei allen Gefahren der Natur. Etwas wachsam zu sein, reicht meistens schon aus. Verrückt machen sollten man sich allerdings nicht.
Noch ein Wort zur Lodge im Sequoia Nationalpark. Die gibt es mittlerweile nicht mehr. Sie musste einem Renaturisierungsprogramm innerhalb des Nationalparks Platz machen. Als wir 2007 wieder im Sequoia weilten erinnerte nichts mehr an die Lodge. Da bleiben nur die Erinnerungen an eine unruhige Nacht zurück.
@lljogi 2018 - Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum