Weißbier in Durango

Die Geschichte spielt während einer meiner berüchtigten 12 Tage Kurzurlaube in den USA. Wir machten auf unserem Wege quer durch den Südwesten Halt in der alten Goldgräberstadt Durango. Etwas außerhalb von Downtown fanden wir ein mehr oder weniger günstiges Motel. Auf der Suche nach etwas Eßbarem schauten wir uns den historischen Bahnhof von Durango an und fanden gleich in der Nähe einen, wir trauten unseren Augen kaum, Erdinger Hof

Erdinger Hof? Mitten in den USA?

Kein Zweifel, das Markenzeichen war augenscheinlich das Original. Die Speisekarte zeigte neben dem üblichen Verdächtigen auch Weißbier im Angebot. Wer denn wollte konnte auch ein Wiener Schnitzel ordern. Darauf waren wir jetzt aber gar nicht so scharf. Das Weißbier jedoch wollten wir nicht verschmähen.

Wir setzten uns in den Hinterhof des Erdinger Hofes, so eine Art Biergarten. Die Bedienungen hatten Dirndl an und die Kellner so eine Art Tracht. Wobei es sich dabei um Fantasietrachten handelte, in der Art wie sich eben Amerikaner bayrische Trachten vorstellen. Störte uns natürlich nicht, wir sind ja keine Trachtenspezialisten.

Wir saßen mitten in den USA in einem Biergarten und fühlten uns dementsprechend gut. Fast wie daheim. Nicht das wir jetzt Heimweh gehabt hätten, aber ein cooles und gleichzeitig heimatliches Gefühl war es trotzdem. Schwer zu beschreiben. Es war so ein kleines bißchen Heimat in der Fremde, das ganze sehr unerwartet. Selbstverständlich hielten wir es für unsere Pflicht auch Weißbier zu bestellen. Die Erdinger mussten doch unterstützt werden. Was wir zum Essen hatten kann ich jetzt gar nicht mehr sagen, wird aber wohl ein Hamburger mit Pommes gewesen sein. Viel Möglichkeiten gibt es da ja auch nicht. Wie schon gesagt, Schnitzel waren jetzt nicht unsere Favoriten und ansonsten hätte es nur noch Schweinshaxe gegeben. Auch nicht unser Geschmack.

Wir waren gespannt, ob das Erdinger Weißbier das Original sein würde oder nur ein billiger Abklatsch. Wir hatten erst wenige Tage zuvor in Moab in einer Microbewery ebenfalls ein Weißbier getrunken. Dieses hatte mit Weißbier nur den Namen gemeinsam. Die Karaffe die uns dort auf den Tisch gestellt wurde, war bis zum Rand hin gefüllt, das ganze schaumlos. Weißbier ohne Schaum, ich bitte euch doch um alles.

Am Nebentisch bekamen weitere Gäste ebenfalls ein Erdinger serviert. Wobei serviert ist nicht ganz richtig ausgedrückt. Man bekam die Flasche mit dem dazugehörigen Glas auf den Tisch gestellt. Die Aufgabe war nun den Inhalt der Flasche unfallfrei in das Glas zu befördern. Wir waren gespannt ob die Amerikaner der höheren Kunst des Weißbiereinschenkens mächtig waren.

Wie man sich denken konnte, waren sie es nicht.

Sie nahmen die Flasche und stülpten sie kopfüber in das Glas. Was bei einem Budweiser nicht weiter erwähnenswert wäre, führt bei einem Erdinger zu massiven Problemen. Wer jetzt nicht weiß von was ich rede, hat selber noch nie ein Weißbier eingeschenkt und sollte es einfach einmal selber ausprobieren. Alle anderen können sich das gebotene Bild sehr gut vorstellen. Mehr als 2/3 der Flüssigkeit ergoss sich über die Tische, die Stühle und den Gästen. Die Amerikaner hatten jedoch ihren Spaß daran und waren keinesfalls sauer über das vergossene Bier. Sie quittierten die Szenerie mit einem Riesenhallo.

Kurz nach dem wir unser Bier ebenfalls bekamen, konnten wir Ihnen dann fachmännische Hilfe beim Einschenken in Form einer Demonstration bieten. Eine gewisse Ähnlichkeit zu laufenden Werbungen im Fernsehen war nicht von der Hand zu weisen.

Es war eine dieser kleinen Geschichten die man nie vergisst. Eine dieser Geschichten die auch ein Grund sind, weswegen man in fremden Ländern Urlaub macht. Leider gibt es diesen Erdinger Hof nicht mehr. Als wir 2006 wieder in Durango weilten, mussten wir feststellen dass anstelle des Erdinger Hofes ein stinknormales Restaurant auf Gäste wartete. Schade! Vielleicht hätten sie zu jedem Weißbier eine Gebrauchtsanweisung legen sollen.

@lljogi 2018 - Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum